John Ridgway

Interview mit dem Künstler John Ridgway

Vom britischen Comic-Zeichner John Ridgway (*4. Mai 1940) gibt es nicht allzu viele Veröffentlichungen in deutscher Sprache. Neben der 1996 bei Carlsen in 4 Bänden erschienenen Prinz Eisenherz Marvel-Miniserie wurden Ende der 1990er Jahre einige seiner Arbeiten für die Vertigo-Serie „Hellblazer“ in Deutschland veröffentlicht. Im letzten Jahrzehnt erschienen bei Panini sein Miracleman-Beitrag sowie der Doctor Who-Band „Gefangene der Zeit“. Ridgway ist Autodidakt, und nach erfolgreichem Ingenieursstudium war für viele Jahre das Zeichnen nur ein Hobby, bis er 1984 seinen Beruf aufgab, um sich ausschließlich dem Comiczeichnen zu widmen. Sein unverwechselbarer realistischer Stil, gepaart mit einer eher lockeren skizzenhaften Schraffurtechnik verhalf ihm von den 1980er bis in die frühen 2000er Jahre zur teils prägenden Mitarbeit an „großen“ Serien und Charakteren wie Hellblazer, The Invisibles, Dr. Who, Judge Dredd oder dem jugendlichen Zauberer Luke Kirby.

Das folgende Interview mit John Ridgway wurde im Juli 2023 exklusiv für den Bocola Verlag von Uwe Reber per E-Mail geführt.

Wie kamst du zu dem Job als Zeichner der Prinz Eisenherz Marvel-Miniserie?

JR: Die Prince Valiant-Geschichte war Teil eines Vertrags zwischen Marvel und King Features, der es einerseits Al Williamson ermöglichte, eine Flash Gordon Geschichte für Marvel zu zeichnen. Mit dem zweiten Teil des Deals wurde Charles Vess beauftragt, eine Prinz Eisenherz Story zu produzieren. Ich hatte für Charles die Bleistiftzeichnungen einiger Seiten zu „The Books of Magic“ und „Hook“ gemacht, also bat er mich, auch für Prinz Eisenherz die Bleistiftzeichnungen anzufertigen. Ich schlug vor, anstelle eines vollständigen Skripts auf Basis einer inhaltlichen Zusammenfassung zu arbeiten. Diese Arbeitsweise war übrigens als „Marvel Methode“ bekannt. Aufgrund verschiedener weiterer Jobs entschied sich Charles, das Inking der Prinz Eisenherz Story jemandem anderen zu übertragen. Ich beschloss daraufhin, alles selbst zu machen, anstatt es einfach irgendjemandem zu überlassen, der grade verfügbar ist. In Großbritannien war es für Comic-Künstler üblich, auf diese Weise zu arbeiten.

Inwieweit warst du mit der Figur und der Saga vertraut?

JR: Als Junge kannte ich Prinz Eisenherz nur aus einem australischen 30-seitigen Schwarzweiß-Heft, im Format der US-Comichefte. Trotz des vergleichsweise kleinen Formats fiel mir bereits damals auf, welche grafische Qualität diese Rittergeschichte hat. Als ich in meinen Dreißigern war, fand ich zwei Eisenherz Bände von Nostalgia Press. Später kaufte ich beim österreichischen Verlag Pollischansky 9 Bände der großformatigen Schwarzweiß-Ausgabe und ich legte mir alle Foster-Bände der Fantagraphics-Edition zu. Fosters Arbeiten hatten fortan großen Einfluss auf meine zeichnerische Entwicklung.
Als Filmfan habe ich natürlich den Prinz Eisenherz Film mit Robert Wagner auf DVD und den späteren Film mit Stephen Moyer habe ich noch als VHS-Tape.

Mit Ausnahme der vom Hollywwod-Film mit Robert Wagner inspirierten Dell-Hefte, die von Bob Fujitani gezeichnet wurden, gab es bis Ende der 90er Jahre außer Hal Foster und John Cullen Murphy keine weiteren Zeichner. War dies eine besondere Ehre für dich oder eher große Herausforderung?

JR: Aus meinen obigen Ausführungen wird deutlich, dass ich eher zufällig an diesen Job kam. Die Arbeit an der Prinz Eisenherz Miniserie hat mir viel Spaß gemacht, aber ich wünschte, ich hätte mehr Zeit dafür gehabt. Der schwierigste Teil bestand darin, das Erzähltempo so zu gestalten, dass es den Anforderungen der Inhaltsangabe für jedes der vier Hefte gerecht wurde.

Gab es konkrete Vorgaben seitens der Marvel-Redaktion?

JR: Die einzige konkrete Anweisung, die ich von dem Redakteur bei Marvel bekam, war, dass die Rüstung aussehen sollte wie im Film „Excalibur“. Allerdings ist der im Film gezeigte Plattenpanzer aus dem 15. Jahrhundert und Fosters Eisenherz spielt im 6. Jahrhundert. Insofern fand ich diese Vorgabe etwas seltsam. Dieser zuständige Redakteur verließ das Projekt, nachdem ich mit der Arbeit am ersten Buch begonnen hatte, so dass es zu spät war, über eine Überarbeitung der Rüstung nachzudenken.

Stimmt es, dass John Cullen Murphy auf der Suche nach einem Assistenten und perspektivischen Nachfolger für die Sunday-Pages auch bei dir „angeklopft“ hat?

JR: Anlässlich der Veröffentlichung der Serie in Deutschland lud mich der Carlsen-Verlag zu einer Signiertour ein. Die Reise wurde von Eckhart Schott organisiert. Er erwähnte, dass John Cullen Murphy einen Assistenten sucht, mit dem Ziel, irgendwann die Sunday Pages zu übernehmen. John Cullen Murphy schrieb mich daraufhin an und bat mich um Arbeitsproben. Ich wusste, dass Murphys Artwork deutlich kleiner ist als die Zeichnungen von Hal Foster. Für mich aber war Foster der Maßstab – und ich dachte, wenn ich gezwungen bin, in einem kleineren Format zu zeichnen, habe ich keine Chance, mein Artwork derart detailreich wie Hal Foster anzulegen und meinen Ansprüchen an die grafische Qualität gerecht zu werden. Ich habe John dann José Jorge vorgeschlagen, einen argentinischen Künstler, dessen Zeichnungen meiner Meinung nach einen ähnlichen Stil wie Hal Foster haben, mit erstaunlich vielen Details, obwohl seine Zeichnungen nur etwa halb so groß wie Fosters Originale waren. Ich habe Kopien einiger Arbeiten von José an John geschickt, die ihn aber nicht überzeugt haben. Trotz einer weiteren Nachfrage, ihm doch Arbeitsproben von mir zu senden, habe ich es nicht getan.

Du hast keine künstlerische Ausbildung genossen, hast zunächst nur nebenbei gezeichnet, ehe du dich Mitte der 1980er Jahre im Alter von 44 Jahren entschieden hast, deinen Lebensunterhalt ausschließlich mit Comiczeichnen zu verdienen. Hast du diese Entscheidung jemals bereut?

JR: Ich habe es nur (ein wenig) bereut, als Marvel Ende der 90er Jahre den gewaltigen Zusammenbruch der Comic-Industrie in Amerika verursachte. Ich hatte eine Zeit lang keine Aufträge mehr, also kehrte ich zu meinem alten Ingenieurberuf zurück und entwarf eine Anlage zur Verbrennung der Abfälle am Flughafen Pulkova in St. Petersburg, Russland.

Du hast zwischen 1985 und 2005 maßgeblich an der Gestaltung einiger Serien und Charakteren mitgewirkt. Auf welche Arbeiten bist du besonders stolz?

JR: Die Arbeit an Doctor Who (hauptsächlich Colin Bakers 6. Doctor) hat mir ganz besonders viel Spaß gemacht. Die Aufträge für Doctor Who und Enid Blytons „Fünf Freunde“ ermöglichten mir, meinen Job zu kündigen und mich fortan in Vollzeit dem Comiczeichnen zu widmen. Es hat mir auch Spaß gemacht, „Summer Magic“ und „The Deadman“ für 2000 AD zu zeichnen. Eine Geschichte, die ich gerne zu Ende gebracht hätte, ist „Age of Heroes“. Ich hatte gerade angefangen, den 6. Band zu zeichnen, als Jim Hudnell, der Autor der Serie, ganz plötzlich starb.

Gibt es rückwirkend betrachtet Dinge in deinem Künstlerleben, die du heute anders machen würdest, Jobs die du nicht mehr annehmen würdest, Chancen, die du verpasst hast oder Serien, für die du sehr gerne gearbeitet hättest?

JR: Ich habe mit Robert Susor von Susor Publications über die Fortsetzung von Alden McWilliams‘ Comic Strip „Twin Earths“ gesprochen, zu der es leider nie kam. Ich wollte auch einen Comic mit Silver Starr von Stanley Pitt zeichnen und war dazu im Gespräch mit ihm. Leider starb Stan, bevor das Projekt konkret wurde. Die Rechte gingen an seine Familie über, die sehr hohe Lizenzgebühren für eine Fortsetzung verlangte – vermutlich war es bei „Twin Earth“ ähnlich.
Sehr gerne würde ich mal ein eigenes Skript zu „Dan Dare – Pilot of the Future“ umsetzen, dessen Schöpfer Frank Hampson einen mindestens genauso großen Einfluss auf meine Arbeiten hat wie Hal Foster.
Aktuell arbeite ich, wann immer möglich, an einer eigenen Fantasy-Serie mit dem einfachen Titel „Darrak“.

Vielen Dank John. Alles Gute für dich und deine aktuellen und zukünftigen Projekte.

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